Der 1. Senat des Bundesgerichtshofes hat in einem jüngst veröffentlichten Urteil (I ZR 259/12) aus Mitte 2015 über einen interessanten wettbewerbsrechtlichen Fall zu befinden gehabt. Die Klägerin hatte davon Kenntnis erlangt, dass die Beklagte in ihren Märkten Brot in Fertigpackungen anbot, auf dessen Etikett die Warenbezeichnung „ORTO MIO Piadina“ sowie der Hinweis „italienisches Fladenbrot“ aufgebracht war. Zudem waren der obere und der untere Rand des Etiketts farblich entsprechend der italienischen Staatsflagge gestaltet. Unten auf dem Produktetikett war noch der Hinweis ausgeführt:

„Hergestellt von Panificio Italiano Veritas GmbH …..“

Nach erfolgloser Abmahnung nahm die Klägerin die Beklagte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung in Anspruch. Nach Zustellung der Beschlussverfügung bei der Beklagten rief diese unverzüglich die beanstandeten Brote aus ihren Märkten zurück. Drei Wochen nach Zustellung der Beschlussverfügung erhob die Beklagte Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung und trug unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Panificio Italiano Veritas GmbH vor, dass das Produkt „ORTO MIO Piadina“ – italienisches Fladenbrot – in einem von dieser regelmäßig kontrollierten, überwachten Unternehmen in Italien hergestellt und in München verpackt und etikettiert werden. In der Folge nahm die Klägerin ihren Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurück.

Nachfolgend nahm die Verfügungsbeklagte des Ausgangsverfahrens die Verfügungsklägerin auf Leistung von Schadenersatz in Höhe von mehr als 70.000,00 EUR wegen des erfolgten Rückrufs der Brote in Anspruch. Die Klägerin wiederum nahm die Beklagte auf Erstattung der durch das einstweilige Verfügungsverfahren angefallenen Kosten in Anspruch. Die Beklagte hat im Wege der Widerklage ihre Forderung nebst Zinsen geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage auf Erstattung der Kosten des Verfügungsverfahrens abgewiesen und der Widerklage im Wesentlichen stattgegeben. Auch die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Die schließlich erhobene Revision der Klägerin führte zu keiner wesentlich anderen Beurteilung durch den 1. Senat des BGH.

Nach Ansicht des Gerichts war die Beschlussverfügung von Anfang an ungerechtfertigt. Das streitgegenständliche Brot wurde in Italien hergestellt. Zudem lag kein Ausnahmetatbestand von der Schadenersatzpflicht vor. Dieses wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die ungerechtfertigt ergangene einstweilige Verfügung ohnehin materiell-rechtlich wegen eines anderweitigen Verstoßes gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen die Beklagte aus dem Verfügungsverfahren zur Unterlassung gezwungen hätte. Unter diesem Aspekt wird die Angabe der Herstellerin mit Sitz in München im Rahmen der Revision geprüft, jedoch führe diese die beteiligten Verkehrskreise nicht irre. Die Verpackung mit den italienischen Landesfarben und den Herstellvorgang in Italien unter Verwendung eines durch das deutsche Unternehmen vorgegebene Rezept bewirke nicht, dass es dem hergestellten Brot, an wesentlichen Charakteristika eines Brotes aus Italien fehle. Auch dann, wenn der Herstellerhinweis durch einzelne Beteiligte des Verkehrskreises dahin verstanden werde, dass dieses Brot in Deutschland hergestellt werde, sei die Zahl der möglicherweise irregeführten Verbraucher nicht derart groß, dass sich hieraus eine Irreführungsgefahr von gewisser Tragweite ergeben könne. Aufgrund dessen bestätigt der 1. Senat, dass die beteiligten Verkehrskreise nicht durch die Aufmachung des Brotes irregeführt werden. Auch die Verwendung einer Unternehmensbezeichnung mit Sitz in München führe nicht irre, da dies durch die Vorgaben des Lebensmittelkennzeichenrechtes vorgegeben sei.

Für die wettbewerbsrechtliche Praxis sind die weiteren Ausführungen zudem durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung eingetretenen Schäden von hoher Bedeutung. Der 1. Senat führt sehr deutlich unter Bezug auf vorhergehende Rechtsprechung aus, dass für die abgemahnte Partei keine Verpflichtung besteht, zur Aufklärung des Sachverhaltes einer unbegründeten Abmahnung beizutragen. Auch stelle der einen erheblichen Schaden verursachende Rückruf der Brote aus den Märkten der Beklagten, keinen Tatbestand dar, der es rechtfertige, der Beklagten eine Mitschuld für den Schaden aufzuerlegen. Der Unterlassungstenor sei zusammen mit der Antragsschrift und den Anlagen auszulegen. Danach sei für die Beklagte hinreichend bestimmt gewesen, dass die zu dem Zeitpunkt in ihren Märkten vorhandenen Brote zurückzurufen seien, um nicht gegen die Beschlussverfügung zu verstoßen.

Der im Tenor enthaltene Zusatz „solange die Brote nicht in Italien hergestellt seien“, stelle nur eine Überbestimmung dar. Mehr sei jedoch von Bedeutung, dass in der Antragsschrift Bezug genommen sei auf das aktuell in den Märkten vorhandene Brot. Dass durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Panificio Italiano Veritas GmbH dann zu einem späteren Zeitpunkt Herstellung und Herkunft aus Italien belegt worden seien, stelle keinen Sachverhalt dar, der eine Mitschuld und Mithaftung der Beklagten für den entstandenen Schaden aus der Vollziehung der Beschlussverfügung rechtfertige.

Autor: Eckard Nachtwey, Rechtsanwalt