Der EuGH hat in seinem heute (08.04.2014) getroffenen Urteil (Aktz: C-293/12 und C-594/12 ) entschieden, dass die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit dem EU-Recht nicht vereinbar ist.

Die Klage einer irischen Bürgerrechtsorganisation und verschiedenen österreichischen Staatsbürgern, sowie der Kärtner Landesregierung wurde somit statt gegeben. Diese hatten sich darauf berufen, dass die Speicherung von Verbindungsdaten unverhältnismäßig sei. Eine solche umfassende Speicherung greife in die Grundrechte auf Privatleben, Datenschutz und die freie Meinungsäußerung ein und sei deshalb mit der Grundrechtecharte der Europäischen Union nicht vereinbar.

Die Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung beinhaltet insbesondere drei Merkmale, welche einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten beinhaltet. Den auf Vorrat zu speichernden Daten sei nämlich insbesondere zu entnehmen, 1. mit welcher Person ein Teilnehmer auf welche Art und Weise kommuniziert hat, 2. wie lange diese Kommunikation gedauert hat und von welchem Ort aus Sie stattgefunden hat und 3. wie häufig Teilnehmer während eines bestimmten Zeitraums miteinander kommuniziert haben. Die Gesamtheit dieser auf Vorrat zu speichernden Daten seien insbesondere sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der einzelnen Personen, sowie auf Gewohnheiten des täglichen Lebens, Aufenthaltsorte und den täglichen Rhythmus, ausgeübte Tätigkeiten, soziale Beziehungen und das soziale Umfeld zu ziehen.

Erschwerend komme nach dem Urteil des Gerichtshofs hinzu, dass die Speicherung der Daten sowie ihre spätere Nutzung vorgenommen würde, ohne dass die jeweils betroffenen Personen hierüber informiert werden würden und somit bei den betroffenen Personen das dauerhafte Gefühl erzeugt werden könnte, dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen und dauerhaften Überwachung sei.

Bei der weiteren Prüfung der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten in Bezug auf die Rechtfertigung des Eingriffs in die fraglichen Grundrechte kommt der Gerichtshof dazu, dass die Richtlinie zwar nicht den Wesensgehalt der betroffenen Grundrechte angetastet, zudem mit einer Zielsetzung verbunden sei, jedoch die Grenzen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit überschreite.

Den Grundrechten auf Schutz personenbezogener Daten und Achtung des Privatlebens sei eine besondere Bedeutung zu zugestehen. Ausmaß und Schwere des mit der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten verbundenen Eingriffs in diese Grundrechte schränke den Gestaltungsspielraum des Unionsgesetzgebers erheblich ein, so dass die in Rede stehende Richtlinie einer strikten Kontrolle unterliege.

So sei die Richtlinie, nach Ansicht des Gerichtshofs, zwar geeignet, dass mit ihr verfolgte Ziel der Bekämpfung schwerer Kriminalität und somit den Schutz der öffentlichen Sicherheit zu erreichen, sie beinhaltet jedoch einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die betroffenen Grundrechte. Die Richtlinie enthalte nämlich keine Bestimmungen, die es gewährleisten könnten, dass sich die tatsächlichen Eingriffe aufgrund der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten auf das absolut notwendige Maß beschränkten.

Betroffen von der Richtlinie seien nämlich erstens generell alle Personen, elektronische Kommunikationsmittel und Verkehrsdaten, ohne irgend eine Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme mit Blick auf das Ziel der Bekämpfung schwerer Straftaten.

Zweitens sehe die Richtlinie keine Einschränkung dahingehend vor, den Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den auf Vorrat gespeicherten Daten und die Nutzung dieser Daten nachvollziehbar zu beschränken. Im Gegenteil nähme die Richtlinie vielmehr Bezug auf die von jedem Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht bestimmten „schweren Straftaten“ Bezug und überlässt es somit der Umsetzung der Mitgliedstaaten, den Zugang zu den Daten zu regeln.

Drittens sehe die Richtlinie keine nachvollziehbare Differenzierung der Dauer der Vorratsspeicherung der Daten nach den Daten Kategorien oder nach Maßgabe des möglichen Nutzens der gespeicherten Daten für das verfolgte Ziel der Bekämpfung schwerer Kriminalität vor. Die in der Richtlinie genannte Speicherfrist von mindestens sechs und höchstens 24 Monaten, ohne dass in der Richtlinie objektive Kriterien festgelegt seien, diese Speicherfrist auf das absolut notwendige Maß zu beschränken, könne die Zielsetzung der Richtlinie nicht rechtfertigen.

Schließlich rügt der Gerichtshof, dass die Speicherung der Daten aufgrund der Richtlinie nicht im Unionsgebiet stattfinden müsse. Es sei somit nicht gewährleistet, dass in vollem Umfang die Einhaltung der Erfordernisse des Datenschutzes und der Datensicherheit durch eine unabhängige Stelle überwacht werden könne, obwohl die Charta dies ausdrücklich fordert.

Aufgrund des erheblichen Eingriffs in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union sei die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten somit für ungültig zu erklären.

Nachdem das deutsche Bundesverfassungsgericht die Regelungen zur Umsetzung der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten im Jahr 2010 gekippt hatte, konnte sich die damalige schwarz-gelbe Regierung nicht auf eine Neufassung einigen. Aus diesem Grunde gibt es derzeit keine gesetzliche, nationale Regelung über die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Die Große Koalition wollte zwar die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen, das Urteil des europäischen Gerichtshofs jedoch abwarten. Nun bleibt abzuwarten, wie der EU-Gesetzgeber das Urteil aufnimmt und ob es eine geänderte Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung geben wird.

Autor: Rechtsanwalt Felix Seehausen, LL.M.