Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 06.02.2013 (I ZR 124/11) entschieden, dass dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorzulegen sei, ob die ergänzenden Bestimmungen zum Schutz von technischen Maßnahmen nach §§ 95a ff. UrhG mit den europäischen Vorgaben im Einklang sind, wenn die technischen Maßnahmen gleichermaßen dem Schutz von Computerprogrammen und anderen Werken dienen, beziehungsweise worauf im Zweifel der Schwerpunkt zu legen sei oder welchem Werk der Gesetzesvorrang einzuräumen sei.

Begriffserläuterung:
Technische Schutzmaßnahmen – technische Programmschutzmechanismen

Technische Maßnahmen zu Schutz von Werken können Hard- oder Software sein. Bei Computerprogrammen waren dies zunächst Hardware Komponenten (sog. Dongle), welche an den Computer angeschlossen werden mussten um das Programm zu nutzen. Auf CDs und DVDs kamen dann Softwarekomponenten zum Einsatz, die ein Auslesen der Daten und eine vollständige Übernahme auf den Computer nicht zuließen. Die Definition der InfoSoc-Richtlinie für technische Maßnahmen wurde auch ins nationale Recht übernommen. So umfasst der Terminus „alle Technologien, Vorrichtungen oder Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, Werke oder sonstige Schutzgegenstände betreffende Handlungen zu verhindern oder einzuschränken, die nicht von der Person genehmigt worden sind, die … Inhaber der Urheberrechte … ist“. Heute wird der Begriff der technischen Maßnahmen auch im Zusammenhang mit dem DRM (Digital Rights Management) verwandt. Dieser Begriff ist insbesondere von Musik- oder Filmwerken bekannt, welche aus dem Internet legal bezogen werden können und mittels verschiedener Mechanismen die Kopie oder Nutzung kontrollieren sollen, aber auch Abrechnungen oder Lizenzierungen ermöglichen.

Dem gegenüber verwendet das Gesetz in § 69f Abs. 2 UrhG den Begriff der technischen Programmschutzmechanismen. Dieses sind alle Vorrichtungen, die Urheberrechtsverletzungen an Computerprogrammen verhindern sollen. Dabei können diese ebenfalls auf Verschlüsselung (Software) oder auf zusätzlichen Komponenten (Hardware) beruhen.

In dem vorliegenden Rechtsstreit geht es darum, dass die Klägerinnen von der Beklagten verlangen, dass diese die angebotenen Adapter für eine Spielekonsole nicht mehr feil bietet und zudem Schadensersatz in siebenstelliger Höhe zahle. Die Klägerinnen sind Inhaber der Urheberrechte an der Spielekonsole „Nindento DS“. Ihnen gehören sämtliche Schutzrechte in Bezug auf die Computerprogramme, Sprach-, Musik-, Lichtbild- und Filmwerke sowie Laufbilder, welche Bestandteile der einzelnen Videospiele sind. Die Videospiele werden auf den nur für die Nintendo DS passenden Speicherkarten vertrieben, welche über den so genannten „Slot-1“ in das Abspielgerät – die Nintendo DS – eingegeben werden. Es gibt auf dem Markt keine weiteren Spielekonsolen, die diesen Slot benutzen.

Die Beklagte hat einen Adapter entwickelt, welcher direkt in den Slot der „Nintendo DS“-Konsole eingesetzt werden kann. Dieser Adapter hat die genauen Maße und Verbindungen, welche für die Anbindung an die Konsole notwendig sind. Mit Hilfe des Adapters können regulär im Handel erhältliche „Micro-SD-Karten“ oder der eingebaute Speicherbaustein („Flash-Speicher“) benutzt werden. Mit Hilfe von Spielen, welche legal und illegal über das Internet zu beziehen sind, können diese Programme mit Hilfe des Adapters dann auf der Konsole gespielt werden.

Die Klägerinnen begehren von der Beklagten, es zu unterlassen, weiterhin diese Adapter im Handel anzubieten und es den Kunden somit „auch“ zu ermöglichen, illegal Spiele auf der Konsole zu nutzen. Dabei steht jedoch vorliegend die Frage im Raum, ob es sich bei dem sogenannten Slot („Slot-1“) um eine technische Schutzmaßnahme handelt. Hiervon geht der erkennende Senat zunächst aus.

Nach den, aufgrund von europäischen Vorgaben umgesetzten Regeln im Urheberrechtsgesetz (§ 95a UrhG), ist eine Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen grundsätzlich verboten. Allerdings sind die Vorschriften zum Schutz von technischen Maßnahmen nicht unmittelbar auf Computerprogramme anwendbar, was sich eindeutig aus § 69a Abs. 5 UrhG ergibt.

Entscheidungserheblich ist somit für den erkennenden Senat, ob die technische Schutzmaßnahme – der nachgebaute Kartenslot – also eine Schutzmaßnahme für das Computerprogramm ist oder ob es sich hierbei um eine Schutzmaßnahme für die sonstigen Werke – sprich Laufbilder, Sprache, Musik, Film, etc. – handelt. Dabei weist das Gericht darauf hin, dass bei den hybriden Werken – wie hier vorliegend – die Literatur keine einheitliche Auffassung vertritt.

Zum einen wird vertreten, dass immer die speziellere Regelung Vorrang habe. Dieser Umstand ergäbe, dass die allgemeinen Regelungen der so genannten „Infosoc-Richtlinie“ (2001/29/EG) hinter die speziellen Regelungen der Computerprogrammrichtlinie (2009/24/EG) zurücktreten. Der Gesetzgeber habe zur Umsetzung der letztgenannten Richtlinie § 69f Abs. 2 UrhG eingeführt, wonach nur solche Mittel vernichtet werden könnten, die allein dazu bestimmt seien, die unerlaubte Beseitigung oder Umgehung technischer Programmschutzmechanismen (siehe Erläuterung oben) zu erleichtern. Da es sich vorliegend aber um einen Adapter handelt, mit welchem auch ca. 2.000 legal aus dem Internet zu beziehende Spiele auf der Konsole genutzt werden können, würde nach dieser Auffassung der Anspruch der Klägerinnen wohl zurückgewiesen werden müssen.

Eine weitere Auffassung möchte bei den hybriden Werken vom so genannten „Programmschwerpunkt“ ausgehen. Soll die technische Schutzmaßnahme mehrheitlich dazu dienen, das Computerprogramm zu schützen, wäre ein Anwendung der §§ 95a ff. UrhG nicht möglich. Käme man jedoch zu dem Schluss, dass die technische Schutzmaßnahme überwiegend dazu dient, die sonstigen Werke zu schützen, wäre vorliegend eine Anwendung des § 95a UrhG hier möglich.

Der erkennende Senat legt zudem die dritte Auffassung dar, welche ihm hier vorzugswürdig erscheint. Demnach sollen bei kombinierten Produkten grundsätzlich beide Regelungen parallel Anwendung finden. Es käme somit dazu, dass neben den strengen Vorgaben des § 69f Abs. 2 UrhG, auch der weitergehende Umgehungsschutz von technischen Schutzmaßnahmen nach § 95a UrhG möglich wäre. Dabei fragt sich der Senat, auf welcher Grundlage der Schutz von technischen Schutzmaßnahmen dem § 95a UrhG entzogen werden soll, nur weil das geschützte Werk auch aus einem Computerprogramm bestehe. Nach Auffassung des Senats gäbe es keinen hinreichenden Grund, solche technischen Schutzmaßnahmen dem Anwendungsbereich des § 95a UrhG zu entziehen.

Um hier die Abgrenzung der sich widerstreitenden Normen, welche jeweils auf die genannten Richtlinien zurückgehen, zu erreichen und europarechtlich zu klären, welche Richtlinie vorrangig anzuwenden sei, legt der BGH die Frage dem EuGH vor.

Anmerkungen des Autors:

Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Beschluss alle drei Auffassungen zu den so genannten „hybriden Werken“ einander gegenüber. Dabei bezieht der Bundesgerichtshof bereits in seinem Beschluss eindeutig Stellung. Er möchte den ergänzenden Schutz der §§ 95a UrhG auf Computerprogramme anwenden, wenn die technische Schutzmaßnahme Computerprogrammen und auch anderen Werke zugute kämen.

Dies würde dazu führen, dass die Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen bereits dann unzulässig sei, wenn sie neben dem Schutz von Computerprogrammen auch nur einer anderen Werkart zugute käme.

Geht man davon aus, dass es sich bei den so genannten „Slot-1“-Karten um technische Schutzmaßnahmen handelt, bedarf es einer genauen Anwendung des Gesetzes und der Richtlinien. Dabei ist immer zu beachten, dass der Richtliniengeber den Schutz der „sonstigen“ Werke und den Schutz der Computerprogramme in zwei verschiedenen Richtlinien geregelt hat. Dies führt bei der Auslegung der widerstreitenden Interessen zu gewissen Problemen.

Die Regelungen über technische Schutzmaßnahmen in den §§ 95a ff. UrhG sind gerade nicht auf Computerprogramme anwendbar. Dieser Umstand mag zwar widersinnig klingen, da gerade Computerprogramme oft mit verschiedenen technischen Schutzmaßnahmen ausgerüstet sind, die Regelung hat jedoch einen anderen Hintergrund. Bereits in Erwägungsgrund 50 Satz 2 der InfoSoc-Richtlinie (2001/29/EG) ist klargestellt, dass der Schutz von technischen Schutzmaßnahmen bei Computerprogrammen ausschließlich der Computerprogramm-Richtlinie vorbehalten ist. Dieser Umstand war dem einfachen Grund geschuldet, dass bereits die erste Computerprogramm-Richtlinie (91/250/EWG) das Recht auf Sicherungskopie vorsah. Nach § 69d Abs. 2 UrhG steht es jedem berechtigten Nutzer eines Computerprogrammes frei, dieses zum Zwecke der eigenen Sicherung für sich zu kopieren. Dieses Recht wäre jedoch dadurch konterkariert worden, wenn die Umgehung technischer Schutzmaßnahmen bei Computerprogrammen nicht erlaubt gewesen wäre. Die Urheber der Computerprogramme hätten alle ihre Werke mit einem technischen Schutzmechanismus versehen und somit das Recht auf Sicherungskopie faktisch umgehen können. Dieses war insbesondere nicht gewollt.

Die Richtlinien zum urheberrechtlichen Schutz von Computerprogrammen sahen deshalb vor, dass nur solche Mittel, die allein dazu bestimmt sind, technische Programmschutzmechanismen zu umgehen oder zu beseitigen nicht in Verkehr gebracht oder angeboten werden dürfen (jeweils Art. 7 Abs. 1 lit. c der Richtlinien). Ein grundsätzlicher Schutz aller technischer Schutzmaßnahmen vor Umgehung konnte wegen der Rechts auf die private Sicherungskopie nicht konstituiert werden.

Würde der Bundesgerichtshof nun seiner favorisierten Meinung folgen, wäre das Recht auf Sicherungskopie erneut beschnitten. Sobald der Urheber eines Computerprogrammes dieses mit weiteren Werken „schmückt“ und einer technischen Schutzmaßnahme versieht, wäre die Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen verboten. Dann wäre die Umgehung der technischen Schutzmaßnahme oder das Anbieten von Mitteln zur Umgehung derselben nicht vom Recht auf Sicherungskopie gedeckt, sondern grundsätzlich für jeden – auch den berechtigten Nutzer – verboten.

Die Regelungen bezüglich technischer Schutzmaßnahmen bei Computerprogrammen sind ausweislich der Infosoc-Richtlinie alleine der Computerprogramm-Richtlinie vorbehalten. Dieses hat einen – verbraucherschützenden – Grund.

Autor: Rechtsanwalt Felix Seehausen, LL.M. (IT-Recht)