Der 1. Senat des Bundesgerichtshofes hat in seinem jüngst veröffentlichten Urteil (I ZR 143/12 – „Geburtstagszug“) die Schutzvoraussetzungen für Werke der angewandten Kunst egalisiert, im Verhältnis zu den Anforderungen für Schriftwerke, Kompositionen oder Werke der bildenden Kunst. In der Vergangenheit (Urteil des BGH, I ZR 119/93 – „Silberdistel“) hatte der 1. Senat des Bundesgerichtshofes die Schutzvoraussetzungen für Werke der angewandten Kunst noch höher angesetzt, als für etwa Sprachwerke oder Werke der bildenden Kunst.

Diese traditionell erhöhten Schutzanforderungen für den Urheberrechtsschutz für Werke der angewandten Kunst wurden aus der Tatsache gefolgert, dass unterhalb des Urheberrechtes für die angewandte Kunst der Schutz nach dem deutschen Geschmacksmusterrecht angesiedelt sei. Daher müsse für ein Urheberrecht mit der längeren Schutzdauer von 70 Jahren über den Tod des Urhebers hinaus, eine deutlich überdurchschnittliche Schöpfungshöhe erreicht werden, die oberhalb der für den Schutz eines Geschmacksmusters geforderten Eigentümlichkeit des Musters läge.

In der jüngst veröffentlichten Entscheidung des 1. Senates hat dieser nun ausdrücklich die Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung erklärt und zudem ausdrücklich auch für Werke der angewandten Kunst bestimmt, dass für die Schöpfungshöhe dieser Werke keine anderen, insbesondere keine höheren, Anforderungen gelten, als für Schriftwerke, technische Zeichnungen, Werke der bildenden Kunst oder andere in § 2 Abs. 2 UrhG aufgeführten Werke.

Die Basis für die Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung ist die Tatsache, dass durch den deutschen Gesetzgeber mit dem Geschmacksmusterreformgesetz, welches auf der Richtlinie 98/71/EG basiert, das zuvor bestehende Stufenverhältnis zwischen Geschmacksmusterrecht und Urheberrecht aufgegeben worden ist. In der Folge sei das Geschmacksmusterrecht nicht mehr Unterbau des wesensgleichen Urheberrechtes. Daher seien erhöhte Anforderungen für den urheberrechtlichen Schutz von Werken der angewandten Kunst dogmatisch nicht mehr begründbar. Deutliches Argument für diese Ansicht sei auch die Tatsache, dass der Titel des Geschmacksmusterrechtes sich gewandelt habe, von der zuvor geltenden Bezeichnung „Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen“ zu „Gesetz über den rechtlichen Schutz von Design“.

Diese sehr erhebliche Änderung der Rechtsprechung des 1. Senates des Bundesgerichtshofes zur Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst, hat nicht nur Auswirkungen für die Zukunft von angestellten oder freiberuflichen Designern, sondern auch für die Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über den rechtlichen Schutz von Design (Geschmacksmustergesetz). Dieses Gesetz ist im Jahr 2004 in Kraft getreten.

Wie bereits auch bei dem vorliegenden Streitgegenstand des Urteils, kann nun durch Designer, für deren Werke der angewandten Kunst, unter Bezug auf § 36 Abs. 1 UrhG (alte Fassung) sowie auf § 32 Abs. 1 UrhG und § 32a UrhG, im Falle der sehr erfolgreichen Verwertung der Nutzungsrechte an Werken der angewandten Kunst, eine ergänzende Vergütung (Bestseller-Vergütung) durch den Designer begehrt werden.

Autor: Rechtsanwalt Eckard Nachtwey