Der 30. Senat des Bundespatentgerichts (30 W (pat) 12/12) hat auf die mündliche Verhandlung vom 25.04.2013 beschlossen, dass eine Entscheidung in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren, ohne Abweichung von der Rechtsprechung des EuGH, nicht möglich sei.

Im vorliegenden Verfahren geht es um die Verwechslungsgefahr zwischen der Wort-/Bildmarke „BGW“ mit einem erheblich unterdurchschnittlich kennzeichnenden Bildbestandteil und der Wortmarke „BGW Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft“. Beide Marken sind unter anderem für die Klasse 16 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen, nämlich „Druckereierzeugnisse“.

Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat zunächst mit einem ersten Beschluss vom 02.10.2009 entschieden, dass die jüngere Marke „BGW Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft“ in gewissem Umfang zu löschen sei. Diese Entscheidung beruhe auf der Annahme, dass die Buchstabenfolge „BGW“ innerhalb der angegriffenen Marke der prägende und selbstständig kennzeichnende Bestandteil sei. Die weitere Wortfolge in der jüngeren Marke „Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft“ sei für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibend.

In dieser Sache kam der Senat zu dem vorläufigen Ergebnis, dem EuGH ein Vorabentscheidungsgesuch zu übermitteln. Dieser Entscheidung liegen folgende Überlegungen des Senats zugrunde.

Der Europäische Gerichtshof gehe in seiner Rechtsprechung zur Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken insbesondere auf den Gesamteindruck ein, den die Marken hervorrufen (EuGH, Urteil vom 02.09.2010, C-254/09, „Calvin Klein/HABM“, Urteil vom 03.09.2009, C-198/07, „CARBONELL/La ESPANOLA“). Bei dieser Beurteilung schließe der EuGH es allerdings nicht aus, dass ein Bestandteil einer zusammengesetzten (komplexen) Marke für den Gesamteindruck dieser Marke prägend sein könne, soweit die weiteren Bestandteile dieses Kennzeichens für die Beurteilung des Gesamteindrucks vernachlässigt werden könnten (vgl. EuGH Urteil vom 03.09.2009, C-498/07, Rn. 62, „CARBONELL/La ESPANOLA“). Es sei zudem nicht ausgeschlossen, dass eine ältere Marke, die als Bestandteil in eine jüngere zusammengesetzte Marke aufgenommen werde, dort eine selbstständig kennzeichnende Stellung behalte, ohne dass dieser Bestandteil das Erscheinungsbild der jüngeren, zusammengesetzten Marke dominiere oder präge und in solchem Fall das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zu bejahen wäre (vgl. EuGH Urteil vom 06.10.2005, C-120/04, Rn. 28 – 30, „Thomson Live“).

Vorlagebeschluss zum EuGH wg Marke BGW 30406837

Der vorlegende Senat des Bundespatentgerichts geht davon aus, dass der Gesamteindruck der älteren Wort-/Bildmarke „BGW“ allein durch die Buchstabenfolge „B G W“ geprägt werde. Der Bildbestandteil dieser streitgegenständlichen Marke, ein den Schriftzug umgebendes, schwarzes Quadrat, sei ein sehr einfaches grafisches Gestaltungsmittel, welches lediglich die Buchstabenfolge hervorhebe.

Bei der jüngeren Marke „BGW Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft“ sei der vorlegende Senat, in Übereinstimmung mit dem Bundesgerichtshof, der Auffassung, dass die Wortfolge im Anschluss an die Abkürzung „BGW“ für die gegenständlichen Waren und Dienstleistungen, rein beschreibender Natur sei. Die Wortfolge „Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft“ gebe lediglich an, dass die Waren und Dienstleistungen von einem bundesweit tätigen Verband von Unternehmen der Gesundheitswirtschaft erbracht werde (vgl. BGH, Beschluss v. 17.08.2000 11, 1 ZB 70/10 „Institut der norddeutschen Wirtschaft e. V.“). Nach Ansicht des erkennenden Senats könne es ohne Weiteres mehrere solcher Verbände geben, weshalb die Bezeichnung „Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft“ keine individuelle Zuordnung erlaube, die für eine Marke erforderlich wäre. Mithin entbehre die Bezeichnung „Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft“ jeglicher Unterscheidungskraft. Aufgrund dieser Auffassung neige der erkennende Senat dazu, die Buchstabenfolge „BGW“ als prägenden Bestandteil der jüngeren Marke anzusehen.

Der Senat führt in seinem Beschluss weiter aus, dass selbst bei gegenteiliger Ansicht – die Wortfolge „Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft“ sei nicht gänzlich zu vernachlässigen– der vorangestellte Buchstabenfolge „BGW“ zumindest eine selbstständig kennzeichnende Stellung innerhalb der jüngeren Marke zuerkannt werden müsse. Dies ergebe sich nach Ansicht des erkennenden Senats bereits daraus, dass beide Marken zum einen für identische Waren –Druckereierzeugnisse – benutzt werden und zudem die jüngere Marke in der Buchstabenkombination „BGW“ identisch mit der älteren Marke sei, nur erläutert durch die – für sich genommen nichtssagende – Akronym auflösende, (beschreibende) Angabe „Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft“.

Folglich habe der Senat keinen Zweifel daran, dass der Verkehr die Vergleichsmarken als ähnlich einstufen werde und bei der festgestellten Waren- und Dienstleistungsidentität oder zumindest -ähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr bestehe (vgl. auch EuGH, Urteil v. 18.10.2007, T-425/03, Rn. 67 – 89, „AMS Advanced Medical Services“).

An der ausgeführten Beurteilung der Beschwerde sehe sich der erkennende Senat jedoch gehindert, da nach seiner Auffassung die in den Rechtssachen C-90/11 und C-91/11 ergangenen Vorabentscheidungsurteile des Gerichtshofs vom 15.03.2012 entgegenstehen könnten (EuGH, GRUR 2012, S. 616, „Alfred Strigel/DPMA“ und „SECURVITA/Öko-Invest“). In diesen Urteilen habe der Gerichtshof entschieden, dass Art. 3 Abs. 1 b) und c) der Richtlinie 2008/95/EG dahin auszulegen sei, dass er auf eine Wortmarke anwendbar wäre, die aus der Zusammenfügung einer beschreibenden Wortkombination und einer – isoliert betrachtet – nicht beschreibenden Buchstabenfolge bestehe. Die Buchstabenfolge „BGW“ werde vom Verkehr als Abkürzung der Wortkombination wahrgenommen, weil sie den Anfangsbuchstaben jedes Wortes dieser Wortkombination wiedergibt, und die Marke in ihrer Gesamtheit betrachtet und damit als eine Kombination beschreibender Angaben oder Abkürzung verstanden werden könne, der infolge dessen die Unterscheidungskraft fehle. Der Gerichtshof habe in den genannten Urteilen zur Begründung unter anderem angeführt, dass bei derartigen Marken die Wortkombination und die dazugehörige Buchstabenfolge dazu bestimmt seien, sich gegenseitig zu erläutern und die zwischen ihnen bestehenden Verbindungen zu unterstreichen (a. a. O., Nr. 32). Weiter ist ausgeführt, dass die Buchstabenfolge, die die Anfangsbuchstaben der die Wortkombination bildenden Wörter wiedergebe, im Verhältnis zu der nachfolgenden Wortkombination nur eine akzessorische Stellung einnehmen könne.

Aufgrund dieser Urteile sieht der vorlegende Senat es als ausgeschlossen an, dass der Buchstabenfolge „BGW“ in der jüngeren angegriffenen Marke „BGW Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft“ eine prägende oder zumindest selbstständig kennzeichnende Stellung zuerkannt werden könne. Einem lediglich akzessorischen Element könne schon vom Wortsinn her keine den Gesamteindruck prägende Stellung zuerkannt werden oder eine selbstständig kennzeichnende Stellung einnehmen, zumal die beiden Markenelemente – Buchstabenfolge mit anschließender Wortkombination – dazu bestimmt seien, die zwischen ihnen bestehenden Verbindungen zu unterstreichen. Nach diesen Grundsätzen müsste der Senat eine Zeichenähnlichkeit der sich hier gegenüberstehenden Marken verneinen. Dieses Ergebnis erscheint dem erkennenden Senat des Bundespatentgerichts jedoch vorliegend nicht sachgerecht.

Aus diesem Grund ersucht der erkennende Senat des Bundespatentgerichts den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung in dieser Sache.

Autor: Rechtsanwalt Felix Seehausen