Der Bundesgerichtshof hat in einem jüngst entschiedenen Fall (Beschluss vom 5. September 2013, Aktz. 1 StR 162/13) die Verurteilung eines Volljuristen wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen durch das Landgericht Essen (Urteil vom 13.12.2012, Aktz. 59 KLs 1/12) bestätigt.

Der Verurteilung ging voraus, dass der Angeklagte anwaltliche Mahnschreiben für Kunden von sogenannten Gewinnspieleintragungsdiensten entworfen hatte. Den betroffenen Empfängern wurden zunächst durch Callcenter Angebote unterbreitet, sie gegen eine Teilnahmegebühr in eine Gewinnspielliste einzutragen. Im Folgenden geschah dieses aber nicht. Aufgrund immer häufiger vorkommender Rücklastschriften beim Einzug der Teilnahmebeträge mittels Lastschrifteinzug, entschied der in einem gesonderten Verfahren verurteilte Verantwortliche, die Kunden mittels eines „Inkassoanwalts“ anzumahnen und durch den erhöhten Druck die betroffenen Kunden zur Zahlung zu bewegen.

Der Betreiber des Gewinnspiels konnte den hier verurteilten Volljuristen als „Inkassoanwalt“ gewinnen und beauftragte ihn mit der Erstellung von so genannten Mahnschreiben. Diese Schreiben sollten den Anschein erwecken, als hätte der verurteilte Volljurist die Forderungen rechtlich geprüft. Namen und Adressen der Angeschriebenen wurden allerdings vom Betreiber des Gewinnspieleintragungsdienstes selbst eingefügt. Der verurteilte Volljurist kümmerte sich im weiteren Fortgang weder um die einzelnen Briefe, noch um die rechtliche Würdigung, ob eine Forderung gegen die jeweiligen Empfänger tatsächlich bestand.

Tatsächlich behauptete der Verurteilte in den jeweiligen Mahnschreiben, er sei mit der Durchsetzung der angeblich bestehenden Forderungen beauftragt und würde dieses auch selbstverständlich tun. Es wurde sogar in den Mahnschreiben angedroht, bei Nichtzahlung die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Betruges einzuschalten.

Die interne Vereinbarung zwischen dem verurteilten Volljuristen und dem Betreiber des Gewinnspieleintragungsdienstes sah eine gerichtliche Geltendmachung der angeblichen Forderungen oder eine strafrechtliche Anzeige jedoch niemals vor. Stattdessen sollte den Kunden, die sich beschwerten gegenüber dem Volljuristen, die Erstattung der geleisteten Beiträge in Aussicht gestellt werden.

Mittels der anwaltlichen Mahnschreiben konnte der Betreiber des Gewinnspieleintragungsdienstes fast 860.000 EUR einnehmen, wovon dem verurteilten Volljuristen rund 140.000 EUR überlassen wurden.

Die Strafkammer sah es als erwiesen an, dass die Drohung mit strafrechtlichen Konsequenzen verwerflich im Sinne des Nötigungstatbestandes (§ 240 StGB) ist. Es konnte allerdings nicht festgestellt werden, ob tatsächlich Kunden aufgrund der verschiedenen, gefertigten Mahnschreiben die angeblichen, nicht-bestehenden Forderungen ausgeglichen hätten. Möglicherweise reichte es bereits aus, dass die Angeschriebenen ein anwaltliches Mahnschreiben erhielten, um sie zur Zahlung zu bewegen. Aus diesem Grund wurde der Angeklagte wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen durch die Strafkammer beim Landgericht verurteilt.

Der 1. Strafsenat sah es als erwiesen an, dass die Drohung mit strafrechtlichen Konsequenzen durch ein Organ der Rechtspflege, welchem eine gewisse Autorität von der Allgemeinheit zugesprochen wird, mit den Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar sei. Folglich ist eine solche Drohung gegenüber juristischen Laien als verwerflich anzusehen, wenn die behauptete Forderung nur zum Schein vom Drohenden rechtlich geprüft wurde.

Autor: Rechtsanwalt Felix Seehausen