Im Vorabentscheidungsersuchen (Aktz. C-314/12) des Österreichischen Obersten Gerichtshofs (ÖGH) zum europäischen Gerichtshof (EuGH) hat der Generalanwalt seinen Schlussantrag heute (26.11.2013) veröffentlicht.

Im vorliegenden Verfahren geht es um die Frage, ob nationale Internet Service Provider verpflichtet werden können, bestimmte Webseiten für Nutzer zu sperren, auf denen rechtswidrig Inhalte zugänglich gemacht werden. Dabei stehen die Internet Service Provider und die Betreiber der Webseite in keiner Rechtsbeziehung zueinander und es wird von Seiten des Internet Service Provider weder der Internetzugang noch Speicherplatz zur Verfügung gestellt.
In der rechtlichen Würdigung geht es dem vorlegenden Gericht insbesondere um die Frage, ob Art. 8 Abs. 3 Richtlinie 2001/29 dahingehend auszulegen ist, dass der Internet Service Provider des jeweils Abrufenden eines das Urheberrecht verletzenden Werkes als Vermittler angesehen werden kann, dessen Dienste von dem das Urheberrecht verletzenden „genutzt“ werden.

Sollte dies nach Auffassung des EuGH der Fall sein, könnten im Einzelfall gegen den Internet Service Provider und nicht nur gegen die verletzende Webseite als solches, die Anordnungen gemäß Art. 8 Abs. 3 Richtlinie 2001/29 erlassen werden. Der Generalanwalt geht in seinem Schlussantrag davon aus, dass ein Internet Service Provider des jeweiligen Nutzers als Vermittler auftritt, dessen Dienste von einem Dritten zur Verletzung des Urheberrechts genutzt werden. Er begründet dies insbesondere mit dem Wortlaut und dem Zusammenhang der Vorschrift, sowie Sinn und Zweck der Norm.

Das vorlegende Gericht fragt zudem weiter, ob die gerichtliche Anordnung einer Sperrung einer Webseite gegenüber dem Internet Service Provider mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den Grundrechten, vereinbar ist. Eine solche gerichtliche Verfügung wäre nach dem einschlägigen nationalen Recht ein sogenanntes „Erfolgsverbot“. Gemeint ist damit in einem solchen vorliegenden Fall, dass die Verfügung einen bestimmten Erfolgs – nämlich den Zugriff auf diese spezielle Webseite – verhindern muss, ohne dass dabei konkrete Maßnahmen angeordnet werden. Eine solche Anordnung ist allerdings mit den Grundrechten der Beteiligten nicht vereinbar. Der Internet Service Provider muss schließlich immer eine Auseinandersetzung mit den Inhabern der Urheberrechte auf der einen Seite und seinen Kunden auf der anderen Seite fürchten. Beide können ihn aufgrund ihrer gesetzlichen und/oder vertraglichen Beziehungen haftbar machen. Es besteht hier somit ein Ungleichgewicht zwischen den Rechten der Beteiligten, weshalb eine gerichtliche Verfügung gegen den Internet Service Provider, ohne Nennung konkreter Maßnahmen oder Anordnungen, gegen das Unionsrecht verstoßen würde.

Zuletzt fragt das vorlegende Gericht, ob eine verhängte konkrete Sperrmaßnahme gegenüber einem Internet Service Provider bezüglich einer konkreten Webseite insgesamt und allgemein unverhältnismäßig ist, weil sie zwar einen nicht unbeträchtlichen Aufwand für den Internet Service Provider erfordert, aber ohne besondere technische Kenntnisse durch die Abrufenden leicht umgangen werden kann. Nach Ansicht des Generalanwalts ist dieses jedoch Sache der nationalen Gerichte, in einem konkreten Fall die Grundrechte der jeweils beteiligten unter Einbeziehung aller relevanten Umstände abzuwägen und so zu einem angemessenen Gleichgewicht zwischen den betroffenen Grundrechten zu kommen.
Nachdem der Generalanwalt nun seinen Schlussantrag bei Gericht eingereicht hat, wird der EuGH über die Vorlagefragen abschließend entscheiden. Ein Termin für die Urteilsverkündung steht allerdings noch aus.

Autor: Rechtsanwalt Felix Seehausen